Lotte und Luis saßen an der Glut eines ehemaligen Lagerfeuers. Luis hatte es ausgetreten, um Lotte zu signalisieren, dass es sicher war, zu kommen.
Jetzt saßen die beiden und lagen sich in den Armen. Sie redeten nicht; sie wussten, dass sie heute das letzte mal zusammen sein würden. Und Worte würden alles nur verschlimmern. Also schwiegen die beiden zusammen und versuchten, nicht an Morgen zu denken. Die Nacht war nicht besonders in irgendeiner Form, die Lichter der nahegelegenen Stadt verdeckten die Sicht auf die Sterne größtenteils, allein die Venus war sichtbar, dicht am Horizont, sowie ein ganz schmaler Streifen des fast-Neumonds. Vom Stadtberg aus konnte man fast alle Hochhäuser überblicken. Hätten die beiden etwas weiter nach rechts geguckt, hätten sie die Arena gesehen, eine recht kleine, überdachte Halle, in die nur geladene Gäste kamen, um sich alternativen Sport anzugucken.
Die Gäste der Arena waren meist irgendwelche reiche und hohe Tiere, die normale Sportarten nicht mehr vom Hocker reißen konnte: Das Gefühl vom Wert des Geldes ist logarithmisch und ihr Reichtum machte Wetten langweilig. Der langjährige Oberbürgermeister und Freund des Präsidenten hatte daher die Idee, einen Konferenzraum Sporttauglich zu machen, in denen die Einsätze höher waren, es sollte um Leben und Tod gehen. Wer wollte, konnte selbst in den Ring treten, aber meistens wurden Söhne, Cousins oder loyale Mitarbeiter der Unternehmen aufeinander losgelassen. Die Kämpfer waren davon natürlich nicht sonderlich begeistert und wollten oft nicht kämpfen, also wurde für sie der Kampf mit Zuckerbrot, Peitsche und Hilfsmittel schmackhaft gemacht: Dem Gewinner winkten Frauen, Geld und Macht, dem Kampfunwilligen eine stetig steigende Spannung im Elektrohalsband und eine steigende Temperatur der Bodenplatten. Unter Drogen waren sie sowieso.
Manche Kämpfer versuchten diese illegalen Aktivitäten der Polizei zu melden, sie wurden zur ihren eigenen Sicherheit in eine Zelle gesperrt – die sich am nächsten Tag doch nur als Raum in der Arena entpuppte. Manche Kämpfer versuchten zu fliehen, doch die strengen Grenzkontrollen, die die Ausländer von der Einreise abhalten sollten, funktionierten auch vorzüglich um Flüchtlinge nach draußen zu fangen. Manche versuchten sich zu verstecken, doch die Städter halfen gerne mit, Schwerstkriminelle aufzuspüren, insbesondere, wenn sie aus der reichen Elite kamen. Es war ein Zeichen, dass es in der Stadt eben keine Korruption gab, wenn selbst der Sohn des reichsten Industriellen gefangen genommen werden konnte und zu Tode verurteilt.
Lotte und Luis waren indes im Streit. Luis meinte, dass sie in der Arena kämpfen sollte, so würde zumindest einer überleben und den anderen auf ewig im Herzen weitertragen können. Lotte wollte direkt in die Ewigkeit eintreten. Und so verbrachten sie ihre letzte Nacht zusammen. Liebend, streitend, dreimal wurde ihnen auch heiß.
Am nächsten Vormittag wurden die beiden gefunden und kampffertig gemacht. Als die Türen sich öffneten, hielten beide sich die Pistole an den Kopf. Luis drückte zuerst ab. Lotte brach ihr Versprechen und lebte mit der Schuld.